Keramik


Die Erzeugung formschöner, geschmackvoll verzierter Keramik besitzt im Hochland von Armenien eine lange Tradition, die bis ins 5. Jt.v.Ghr. zurückverfolgt werden kann. Das bodenständige Erbe dieses Handwerkszweiges wurde im 1. Jt. v. Chr. nach den Urartäern von den Armeniern weitergepflegt und zu einer neuen Blüte gebracht. Die Landeshauptstädte Artaschat, Dwin, Ani erlangten in der Geschichte lokaler Keramikproduktion Bedeutung als Zentren der Erzeugung hervorragender Ware.

In Form von Ritzmustern oder Unterglasurmalerei aufgebrachten Ziermotive stellten bevorzugt geometrische und pflanzliche Muster dar, bisweilen auch Figuren armenischer Minnesänger, Märchengestalten, Heldenfiguren; mythologische Wesen wie Vögel mit Löwenpranken, Sphinx, Sirenen wurden in reichhaltigen floralen Dekor gestellt. Typisch für die frühmittelalterliche keramische Produktion aus Dwin und Ani wie auch Amberd und Garni war der Kobalt- und Goldanguß.

Als die byzantinische Eroberungspolitik den-Niedergang des Bagratidenreiches im 11. Jh. verursachte und den Seldschuken 1064 den Vorstoß nach Armenien erleichterte, verließen zahllose Handwerker ihre Heimat – dennoch läßt sich von der Fortsetzung keramischer Erzeugung, wenn auch in geringerem Umfange sprechen. Eine neuerliche Zäsur in der Pflege kunstgewerblicher Traditionen brachte der Mongoleneinfall 1236. Aus den Kerngebieten Armeniens wandernde Keramikmeister ließen sich im westlichen Kleinasien, auf der Halbinsel Krim, im Kaukasus oder in Kilikien nieder, wo armenische Fürsten seit dem lo. Jh. große Gebiete verwalteten und regierten.

Das Museum der Mechitaristen-Kongregation zeigt in seiner reichen Sammlung von Keramik eine Schale aus Kilikien (12./13.Jh.) und dann vorwiegend Arbeiten armenischer Keramikmeister aus Kütahia. Diese Stadt liegt im westlichen Kleinasien, etwa 200 km südöstlich von Istanbul und jeweils loo km von Bursa und Iznik entfernt. Schon seit byzantinischer Zeit lebten Armenier in Kütahia. Ihre Gemeinde erhielt im 13. Jh. Zuwachs durch Auswanderer von den zerstörten Städten Sultanabad und Rhags aus Persien sowie aus Zrina, einem kleinen Städtchen bei Akulis in Nachitschewan am Ufer des Araxes, die vor Timur Leng (1336-1405) flüchteten. In Nachitschewan hatten die Armenier eine blühende Keramikindustrie entwickelt, sie brachten ihre Fertigkeiten und Muster mit nach Kütahia.

So vermittelt die Produktion in Kütahia eine Reminiszenz an einstige Fertigkeiten oder typische Mustertraditionen in Armenien selbst. In vielen persischen und türkischen Palästen, Moscheen, Serails kann man Fayencen armenischer Produktion bewundern. Heute besitzen armenische Keramikarbeiten in der Türkei höchsten Ruf; erhaltene Stücke des l6., 17. und 18.Jh. genießen als museale Objekte äußerste Wertschätzung.
Unter den Objekten im Museum der Mechitaristen-Kongregation sind alle Gefäße mit armenischer Inschrift wertvoll: so eine Salz- und Pfeffergarnitur mit einer Widmung für einen Priester aus Dschulfa, ein kleines Likörkännchen. Interesse verdienen Lampen und vor allem eiförmige Hängeelemente als Teile von Lusteraufhängungen. Sie sind mit Seraphimköpfen und Kreuzen verziert, wurden etwa um die Mitte des 18.Jh. hergestellt und fanden oftmals in Kirchen Verwendung. Die eiförmigen Keramikelemente sollten Mäuse daran hindern, die Ketten zu den Öllampen entlangzuklettern. Bisweilen schmückte man die Lustereier mit Troddeln und Quasten.

(Elisabeth Bauer)