Metallbearbeitung

Zu den ältesten Zweigen des Kunsthandwerks in Armenien zählt die Gold-, Silber- und Kupferschmiedearbeit, deren hohes lokales Niveau auf dem Erbe der frühen Metallbearbeitung fußt. Aus allen historischen Epochen blieben anschauliche Objekte erhalten, obwohl natürlich im Zuge der Kriege und Verheerungen, die das Land heimsuchten, Kostbarkeiten von unschätzbarem kulturhistorischen und materiellen Wert zerstört, geraubt oder eingeschmolzen wurden.

Berühmte mittelalterliche Zentren der Gold- und Silberbearbeitung waren die Städte Wan, Erzinga, Dwin, Karin (Erzerum), Ani. Im armenischen Königreich Kilikien (12.-14.Jh.) sind gleichfalls prachtvolle Arbeiten entstanden. Die Meister fertigten kostbares Tafelgeschirr, Besteck, Silbertabletts, Becher, Krüge, Kannen, Kandelaber und kirchliche Gegenstände wie Reliquienschreine, Kreuze, Meßkelche und Evangeliendeckel.
Großarmenien hatte seit dem 11. Jh. stark unter der byzantinischen Einverleibungspolitik, der Seldschukeninvasion und dem Ansturm der Mongolen gelitten. Tausende Familien waren ausgewandert, um in der fremde bessere Lebensbedingungen zu suchen. Die verbliebene Bevölkerung hingegen besaß weiterhin den Status einer geistigen und kulturellen Elite des Landes.

Armenisches Kunsthandwerk wurde von den neuen Machthabern bewundert und geschätzt: sie beriefen die heimischen Meister in ihre Reichszentren. Viele Schöpfungen aus Edelmetallen, prunkvolle Gefäße und Geschmeide – für türkische oder persische Auftraggeber hergestellt – verraten die schöpferische Hand und bodenständige Tradition der armenischen Metallbearbeitung.

Mit Recht widmet die Realienkunde Armeniens den erhaltenen, alltäglich benutzten Metallgegenständen große Aufmerksamkeit: vom 16. Jh. bis etwa 1915 reflektieren sie in ganz spezifischer Weise sowohl das Beharren auf nationalem, handwerklichen Erbe wie auch der eigenen Kultur, Sprache, Religion. Es war üblich, Metallobjekte mit armenischen Inschriften oder kurzen Widmungen zu versehen, ja auch Daten einzufügen. Dadurch sind viele Namen der Meister, ihre Signaturen; Ortsbezeichnungen, Hinweise auf Gemeinden, Kirchen, Geistliche erhalten geblieben.
In den verschiedenen Provinzen des historischen Armenien entstanden durch spezielle Techniken der Metallbearbeitung und die Bevorzugung bestimmter Ziermotive sehr charakteristische Arbeiten. So bewiesen die Meister aus Karin und Achalzcha besondere Fertigkeit in der Herstellung von Filigrangefäßen, während in Wan die kunstvolle Schattierung oder Schwärzung von Silber- und Goldarbeiten gepflegt wurde.

In ganz Armenien verwendete man pflanzliche, tierische und geometrische Motive als Dekor, stellte sakrale Szenen dar, nationale Heldenfiguren oder phantasievolles Flechtwerk.

Hinsichtlich der Verbreitung und Beliebtheit kommt neben Gold- und Silberarbeiten den Erzeugnissen aus Kupfer große Geltung zu. Da sie nicht nur dem Adel und dem hohen Klerus vorbehalten blieben, sondern auch dem breiteren Bürgertum zugänglich waren, erzielten sie eine außerordentliche Nachfrage. Gefäße, Geschirr, Waffen, Schmuck, Knöpfe und Zierrat blieben in repräsentativer Anzahl erhalten, sodaß Kupferarbeiten in der volkstümlichen Angewandten Kunst Armeniens als Gradmesser der Fertigkeiten in diesem Handwerkszweig gelten dürfen.
Eine besondere Stellung nehmen fraglos große Kupfertassen ein, die als Tischplatten oder Serviertassen verwendet wurden. Mit einem Durchmesser von etwa 80 bis loo cm boten sie dem Künstler eine relativ große Arbeitsfläche dar, die phantasievoll und doch traditionsbezogen gestaltet werden sollte. Thematisch finden sich Analogien der Darstellungen in den einzigartigen Steinmetzarbeiten, Knüpfwerken, der Miniaturenmalerei, Keramik und Teppichweberei Armeniens.

Das Museum der Mechitharisten-Congregation zeigt eine schöne, verzinkte Kupfertasse mit einer langen armenischen Inschrift; einer Aufforderung, sich rund um diesen ‚Tisch‘ zu versammeln. Weiters wird eine repräsentative Kollektion von Metallschalen, Netalltellern, Schreibgeräten, Besteck gezeigt, die allesamt armenische Inschriften und auch Datierungen aufzuweisen haben.

(Elisabeth Bauer)