Armenische Trachten

In den verschiedensten Provinzen des historischen Armenien (es umfaßt Killkien, das östliche Kleinasien, das Quellgebiet von Euphrat und Tigris, den Raum zwischen Schwarzem Meer und Kaspischem Meer) entstanden im Laufe der Jahrhunderte unter bestimmten klimatischen und wirtschaftlichen Bedingungen jeweils regional unterschiedliche Volkstrachten.

An ihnen läßt sich nicht nur eine natürliche Gliederung der sozialen Strukturen ihrer Trägerschaft ablesen, sondern auch ein wertvoller Einblick in lokale Sitten und Gebräuche gewinnen. Die Kleidung von Kindern, Mädchen, Burschen, Verheirateten, Verwitweten, Würdenträgern, wurde durch Eigenheiten in der Farbwahl, im Formenreichtum und vor allem im begleitenden Schmuck und Kopfputz klar unterschieden. Besondere
Aufmerksamkeit galt der reich ausgeführten Brauttracht, die alle weiblichen Fertigkeiten im Nähen und Sticken demonstrierte.

Mehr noch als in der Männerkleidung mit breiten Tuchhosen und tunikaartigen Übermänteln zeigt sich in der Tracht armenischer Frauen das Festhalten an der nationalen Identität. Im bäuerlichen Alltag trugen sie mehrere Unterkleider in verschiedenen Farben, darüber ein mantelartiges Überkleid oder einen weiten Rock, ein besticktes Jäckchen, eine reich verzierte Schürze und breite Stoffbahnen als Gürtel. Als Zierelemente dienten alle bewährten traditionsreichen Muster: das S-Zeichen, das Sonnenrad, Sterne, Kreuzformen, stilisierte Blüten, Arabesken, Palmetten. Ärmel von Jacken und Mantelkleider wurden häufig in überlanger Form geschnitten.

In vielen Regionen ergänzte man die festliche Sonntagstracht mit kostbar verzierten Silbergürteln. Auf das geflochtene Haar setzte man kleine Käppchen, an denen hinten noch zusätzlich lange Zöpfe aus schwarzer Wolle hingen, die über der Kleidung lagen und mit dem Gürtel festgehalten wurden. An der Stirnseite jedoch bestickte man die Samtkappen mit Silber- sowie Goldfäden und nähte auch Münzen oder Ziergehänge aus Edelmetall auf. Ohrringe, Halsketten und Armbänder brachten die Wohlhabenheit der Familie zum Ausdruck.

In Achalzcha, Kars und Karin stellten Schürzen aus rotem Samt (Festtracht) oder feinem roten Filz (Alltag) einen festen Bestandteil der Kleidung dar. Man verzierte sie mit floral gemusterten Borten aus aufgenähten Goldfäden und placierte am unteren Abschluß schöne Eckmotive. Die in Falten gelegte Schürze war an einem langen schmalen, gelb und rot gewebten Gürtelband befestigt, das verschiedenste Inschriften und meist auch das Datum aufwies.

Einen wesentlichen Bestandteil der Volkskleidung von Frauen und Männern bildeten die oft farbenreichen Strickwaren wie Socken und Strümpfe. In manchen Gegenden hat man die sorgfältig ausgeführten Muster noch zusätzlich durch aufgenähte Perlen oder Glasschmuck betont.
Die städtische Tracht bestand aus kostbarer Seide, Brokatstoffen und Geweben, die an vorempfundenes Biedermeier erinnern. Aus ihnen schneiderte man vornehme Kleider, die über weitärmeligen, bestickten Seidenblusen getragen und mit passenden Stoffbahnen oder
Silbergürteln in der Taille ergänzt wurden.

Mit einer besonders schönen Sammlung armenischer Trachten ermöglicht das Museum der Mechitharisten-Kongregation volkskundliche Eigenheiten einzelner Provinzen des Landes aufzuzeigen und das historische ethnographische Bild Armeniens zu dokumentieren. Gezeigt wird eine Brauttracht aus Amasia mit Schleier und silbernem Kopfschmuck, roter Seidenhose und cremefarbenem Mantelkleid, eine Festtracht aus Kars mit einem bestickten Samtmantelkleid, Schleier und Samtkäppchen, ein prächtiges, orangefarbenes Überkleid aus Kaiseria mit Verzierungen aus Goldborten, eine Feiertagskleidung aus Schabin-Karahissar, eine Männertracht aus Zeytun, ein vornehmes Mantelkleid aus Arzach-Siunik, ein Alltagskleid aus Akn, städtische Kleidung aus Trapezunt, eine Festtracht aus Karin (Erzerum), die anläßlich einer Vermählung getragen wurde.

Weiters sind mit zarten Goldfäden reich bestickte Samt Jäckchen aus Trapezunt sowie die Jacke einer Männertracht aus Sebaste; Damenschuhe aus besticktem Samt; Badepantoffel aus Holz; Männerkappen aus Musch, Wan und Sassun; Socken und Stickereien ausgestellt.

(Elisabeth Bauer)